Das Haus

Die Suche nach einem Haus

Die Geschichte des Neuburger Stadtheaters beginnt erstmal mit der nüchternen Erkenntnis, dass es in Neuburg an der Donau noch nie ein eigens errichtetes Stadttheater gegeben hat – bis zum heutigen Tage. Und das, obwohl die Theatertradition zurück in die Zeit geht, als Neuburg Haupt- und Residenzstadt des Fürstentums Junge Pfalz war – damals getragen vom Fürstenhof sowie vom Jesuitenkolleg. Eine letzte Blütezeit hatte das Neuburger Theaterwesen noch unter Herzoginenwitwe Amalie. Bis 1815 gab es ein eigenes Schloßtheater im großen Saal im zweiten Obergeschoss des Ottheinrichbaues. Wegen Baufälligkeit musste es aber verlegt werden und zwar in den heutigen Kongregationssaal. Kaum 9 Jahre später, 1824, wurde aus dem stattlichen Bau jedoch ein Mädchenschulhaus und das eingebaute Theater musste schon wieder weichen.

Nun gab es keinen eigenen Theaterraum mehr und die sporadischen Aufführungen auswärtiger Gesellschaften mussten in unterschiedlichen Lokalitäten unter den primitivsten Bedingungen stattfinden. Bürgermeister Karl Sing beschrieb die Situation mit den Worten „unter aller Kritik“  Erst ab Mitte der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts sah sich das zum Landstädtchen degradierte Neuburg aufgrund einer verbesserten Rechtstellung wieder in der Lage, größere und längst wünschenswerte Projekte in Angriff zu nehmen. Und sicherlich spielte auch eine Rolle, dass ab 1868 das gesamte 15. Infanterieregiment hier stationiert wurde und viele Soldaten in der Stadt waren.

Bürgermeister Sing hielt am 23. Oktober 1868 eine flammende Rede im damaligen Stadtrat. Dabei schilderte er zunächst die misslichen Theaterverhältnisse und verwies darauf, dass mit Rücksicht auf die zahlreichen Offiziere der hiesigen Garnison „die Herstellung eines wenigstens bescheidenen Ansprüchen genügenden Theaterlokals ein wahrhaftes Bedürfnis“ darstelle.

Der Kornspeicher wird zum Theater

Die Strategie Sings fand Anklang und so wurde einstimmig beschlossen, den von der Stadt für 3500 Gulden erworbenen ehemaligen Getreidekasten zum Theater umzubauen und dafür maximal 7500 Gulden zu verwenden. Im Vollzug des Magistratsbeschlusses wurde sofort eine eigene Theaterbaufondkasse errichtet und der Stadtbautechniker und königliche Bauassistent Joseph Hiller mit der Durchführung beauftragt. Innerhalb einer Woche wurden Pläne erarbeitet, die am 28. November 1868 vom Magistrat gebilligt wurden.

Bereits im Juli 1869 waren die Arbeiten soweit gediehen, dass man sich mit der Innenausstattung beschäftigen konnte. Für Stuhlwerk, Maler- und Tapezierarbeiten sowie erste Kulissen waren schnell weitere 5500 Gulden ausgegeben. Und wie es eben so geht, belief sich die Schlussrechnung laut Stadtschreiber Eduard Burgstaller am Ende auf 17.206 Gulden, 23 Kreuzer und 4 Heller. Ein Betrag, den Bürgermeister samt Magistrat am Anfang sicher für unerschwinglich gehalten hätten. Der Stolz auf das gesamte Werk hat diese Tatsache aber offenbar nicht getrübt.

Beflügelt war man auch von der breiten Zustimmung aus der Öffentlichkeit. Der Theaterneubau wurde begeistert und ohne jede Kritik aufgenommen, was nach den Worten von Karl Sing „bei den Neuburger Verhältnissen einiges besagen will“. Und so war die feierliche Eröffnung am 25. August 1869, obendrein der Geburtstag von König Ludwig II., ein ganz besonderer Tag. Voller Stolz konnte Bürgermeister Sing sein Neuburger Stadttheater in die Tat umgesetzt sehen und bei voll besetzten Rängen einweihen.

So sah es im Theater 1869 aus

Wie muss man sich dieses Theater vor 150 Jahren eigentlich vorstellen? Gleich vorneweg, sämtliche Annehmlichkeiten wie Foyer, Garderobe angenehme Temperierung oder gar Glasbau mit Pausengetränk gab es noch nicht. Der Zuschauerraum war damals rechteckig, umfasste auf den drei Etagen 248 Sitzplätze und sage und schreibe 297 Stehplätze – ganz offenbar ein Ort des näheren Kennenlernens! Man betrat das Haus über die Freitreppe und kam in einen kleinen Windfang mit Kassenhäuschen und zwei Toiletten – also getrennt voneinander. Um die Ränge zu erreichen gab es zwei knarzende Holztreppen – alles sehr einfach und eher provisorisch wirkend.

Die heutigen Rundungen in der Wandführung waren noch nicht vorhanden. Die Wandverkleidung war aus Holz, an der sich mangels Garderobe die Kleiderhaken befanden. Rechts und links der Bühnenöffnung standen gusseiserne Öfen, die den nächstgelegenen rote Köpfe bescherten und allen weiter entfernten kaum Wärme spendeten. Licht gab es von seitlichen Petroleumleuchten und die Bestuhlung war wie Zeugenberichte glaubhaft bestätigen, äußerst unbequem. Es handelte sich um Holzstühle mit Korbgeflecht ohne Polster. Klingt alles nicht allzu einladend, galt aber durchaus als hinnehmbar, hatte man doch endlich ein eigenes Theater.

Die ersten 100 Jahre

Die Jahre gingen dahin, die Bühnen hielten ihre Gastspiele und die Zuschauer ließen sich Aufführung für Aufführung in den Bann ziehen – mal mehr und mal weniger. Im Jahreskreis wäre es auch immer so weiter gegangen, hätten nicht baupolizeiliche Vorgaben zu Schwierigkeiten geführt. So bemängelte z.B. das Brandversicherungsamt Ingolstadt 1954 die Rauchrohre der aufgestellten Öfen, die nur 10 Zentimeter an den mit Asbest verkleideten Holzwänden vorbeiliefen. Bauliche Mängel und mangelnder Komfort sorgten dann auch nach und nach für Zuschauerschwund und es musste gehandelt werden. Im Stadtrat entbrannten Debatten über Umbauten und Verlegungen ins Schloss oder gar in das Schlosstheater am Schrannenplatz. 

1965 war dann Schluss mit langen Debatten, wurde der Spielbetrieb doch mit sofortiger Wirkung wegen feuerpolizeilicher Mängel eingestellt. Was danach geschah ist vor allem zwei Protagonisten zu verdanken. Da wäre zunächst Oberbürgermeister Theo Lauber zu nennen, der entschlossen an der Realisierung einer Renovierung festhielt. Und dann war da noch ein junger Stadtrat namens Anton Sprenzel, der voll und ganz in seinem Element als Kultur- und Theaterreferent aufging. Wohlgemerkt zu einer Zeit, als es bei der Stadt Neuburg noch gar kein Kulturamt gab.

Während das politische Tauziehen zu Höchstform auflief und die Ausweichstätte im Kolpinghaus nur recht und schlecht bespielt wurde, erkämpften sich OB Lauber und Stadtrat Sprenzel 1967 den ersten Renovierungsbeschluss mit relativ mageren 100.000 Mark für die Instandsetzung.Die ersten Ausräum- und Ausschachtungsarbeiten wurden im September '67 aus Kostengründen sogar von Strafgefangenen und Freiwilligen durchgeführt. Es kam auch hier wie es kommen musste. Im Laufe der Arbeiten stieß man auf stets neue Herausforderungen und auch die Wünsche zur spürbaren Verbesserung nahmen zu. Kurzum, es entstand neben der neuen Heizung ein neues steinernes Treppenhaus, damit einhergehend die typische Bogenform der Wände, ein kleines Foyer, eine Garderobe, ein erweiterter Orchesterraum und am Ende sogar noch eine neue Bestuhlung.

Die Vehemenz von Lauber und Sprenzel sowie den engagierten Mitstreitern haben aus dem 100.000 Mark ein 400.000 Mark Projekt werden lassen. Das Ergebnis konnte sich bei der feierlichen Einweihung am 14. Juni 1969 aber mehr als sehen lassen. Es war ein Werk vollendet worden, das der Neuburger Bevölkerung ihr Stadttheater wiedergeschenkt hatte. Das Theater wurde in den Rang eines Kleinods der an historischen Bauten so reichen Stadt erhoben.

Das - bis Dato - letzte Kapitel

Im finalen Kapitel der Geschichte dieses Hauses darf ich die jüngste und zweifelsohne bedeutendste Sanierung in den Fokus rücken. Fast schon kurios anmutend, denn bereits 16 Jahre nach der letzten durchgreifenden Modernisierung wurde die Nutzung des Stadttheaters vom Bayerischen Gemeindeunfallversicherungsverband wegen Mängel an der Bühnenmaschinerie untersagt. Fairerweise sollte aber ergänzt werden, dass die Umbauten '69 die gesamte Bühnentechnik ausgespart hatten.

Erfreulicherweise machten sich jetzt die Bemühungen im Rahmen der Städtebauförderung bemerkbar, die in Neuburg seit Einführung 1971 intensiv genutzt wurden. So hatte man im Rahmen des Harmonie-Ankaufs in den späten 70ern bereits vorgesehen, das Theater in die umliegenden Gebäude zu erweitern. Daran konnte man jetzt anknüpfen und begann – in schon guter Tradition – mit Planungen für die typischen Teillösungen. Für rund 150.000 Mark sollte das bereits für Garderoben genutzte Malteserprobsthaus erweitert werden.

Anton Sprenzel erkannte die Gunst der Stunde erneut und schon diskutierte man über eine neu zu schaffende Hinterbühne, Künstlergarderoben, Lager-, Abstell- und Sanitärräume sowie ein neues großes Foyer. Das Ergebnis dieser ersten zaghaften Erneuerungsversuche dürfen wir seit nun 30 Jahren unser prächtiges Neuburger Stadttheater nennen.

Von 1986 bis 1988 entstand ein moderner und funktionaler Komplex, der sich harmonisch in die historische Bausubstanz einfügt. Architekt Jörg Hauk, Baudirektor Rüdiger Stalmann, Bauverwaltungschef Roland Thiele und natürlich auch Oberbürgermeister und heutiger Ehrenbürger Hans Günter Huniar sorgten mit Elan und Engagement, mit Beharrlichkeit und Kämpfergeist nicht nur für eine Sanierung, sondern für den Eintritt in ein neues, zukunftsweisendes Theater-Zeitalter.

Die Gesamtkosten lagen am Ende bei rund 5,4 Millionen Mark, wovon ein Großteil über die Städtebauförderung wieder hereingeholt werden konnte. Heute, und damit immerhin 30 Jahre später, erkennen wir beim Anblick dieses Hauses bzw. der gesamten Anlage, dass die Investitionen zurecht, mit Weitblick und vor allem auch nachhaltig getätigt wurden.

Eines muss ab klar sein: Das Neuburger Stadttheater könnte noch so schön sein, wenn es nicht von den Theaterschaffenden und dem geneigten Publikum auch zum Leben erweckt würde.


Bernhard Mahler im Oktober 2019